Allgemeinverfügung Coronavirus Sars-CoV-2

Allgemeinverfügung Coronavirus Sars-CoV-2

Allgemeinverfügung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV-2

Stand: 10.11.2020

Information auf erfurt.de

Begründung der Allgemeinverfügung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 vom 06.11.2020

Allgemeines Ermächtigungsgrundlage für die Allgemeinverfügung ist § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG i. V. m. § 13 Abs. 1 und 2 der 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO in der jeweils geltenden Fassung.

Zuständige Behörde für die Anordnung von Schutzmaßnahmen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG ist gem. § 2 Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Er-mächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz (ThürIfSGZustVO) die Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung im übertragenen Wirkungskreis.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft gem. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Unter diesen Voraussetzungen kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken und verbieten oder das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung regeln.

Entsprechend § 13 der 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO

Weitergehende Anordnungen, Maßnahmen bei Überschreitung des Risikowerts (1) und (2) muss die nach § 12 Abs.1 zuständige Behörde bei einer Überschreitung eines Risikowerts von 50 Neuin-fektionen je 100.000 Einwohner weitere erforderliche infektionsschutzrechtliche Maßnahmen nach Abstimmung mit der oberen und obersten Fachaufsichtsbehörde für die Dauer der Überschreitung des Risikowerts von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner zuzüglich eines Zeitraums von weite-ren sieben Tagen treffen.

Seit Februar dieses Jahres breitet sich die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hervorgerufene akute Atemwegserkrankung Covid-19 in Deutschland aus. Bisher sind deutschlandweit 597.583 Menschen positiv auf das Virus getestet worden (Stand: 05.11.2020).In Erfurt gibt es insgesamt 723 bestätigte Infektionsfälle sowie 8 Todesfälle (Stand 05.11.2020, 09:00 Uhr).

Im gesamten Stadtgebiet sind an dem SARS-CoV-2 Erreger Erkrankte und Ansteckungsverdächtige im Sinne des § 2 Nr. 4 und 7 IfSG durch entsprechende Testungen und nachgewiesene relevante Kontakte mit Infizierten festgestellt worden, denen gegenüber ausnahmslos eine Quarantäne an-geordnet worden ist. Trotz dieser individuellen Schutzmaßnahme in Verbindung mit den Corona-Regelungen des Freistaates Thüringen sind die Fallzahlen angestiegen. Neben einem konkreten Ausbruchsgeschehen innerhalb eines Seniorenheimes ist das Infektionsgeschehen hauptsächlich auf Einzelinfektionsgeschehen im beruflichen wie auch privaten Kontext zurückzuführen. Zuneh-mend sind Infektionsquellen allerdings nicht mehr feststellbar. Neben asymptomatischen Fällen ist auch ein Zuwachs behandlungsbedürftiger symptomatischer Fälle sowie notwendig werdender Krankenhausaufenthalte zu verzeichnen. Neben der maximalen Belastung des Öffentlichen Ge-sundheitsdienstes, der zunehmenden Belastung der Laborkapazitäten gilt es daher, eine weitere Belastung des Gesundheitswesens bis hin zur Überlastung abzuwenden. Es besteht eine ausgeprägte Dynamik mit rasantem Fallzahlanstieg. So verzeichnet die Landes-hauptstadt Erfurt am 19.10.2020 eine 7-Tages-Inzidenz von 17,8, am 29.10.2020 von 54,7 und aktuell ergibt sich eine 7-Tage-Inzidenz von 85,05 (Stand 05.11.2020, 08:00 Uhr). Innerhalb von zwei Tagen wurden die Inzidenzschwellen von 35 und 50 Fällen auf 100.000 Einwohner überschritten, und auch darüber hinaus ist ein weiterer rasanter Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen. Aufgrund dieser Sachlage sind nunmehr weitere bevölkerungsbezogene antiepidemische Schutzmaßnahmen zu treffen, um die Verbreitung des Erregers SARS-CoV-2 zu verlangsamen und eine nicht mehr kon-trollierbare Verbreitung zu verhindern.

Die Maßnahmen orientieren sich dabei zum einen am Beschluss der Konferenz der Bundeskanzle-rin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 14.10.2020, als auch an den Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes zu Präventions- und antiepidemischen Maßnahmen auf Grundlage der aktuellen Studienlage.

Dabei erfordert das Infektionsgeschehen in Erfurt aus folgenden Gründen Regelungen, welche über die aktuelle Thüringer Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen hinausgehen:

Erfurt liegt klar über dem Thüringer Inzidenzwert von aktuell 67,1 (Lagebericht des Thüringer Minis-teriums für Inneres und Kommunales vom 05.11.2020).

Die Altersstruktur der Erkrankten begrenzt sich nicht auf eine schützenswerte Altersgruppe, son-dern erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne, was auf vielfältige Übertragungswege, sowohl in öffentlichen, als auch in beruflichen und privaten Settings schließen lässt.

Die hohe Siedlungsdichte ist ein weiterer Grund für Übertragungen des Virus in allen Bereichen. Dies spiegelt sich in Erkrankungen in allen Stadtteilen Erfurts.

Erfurt hat sowohl im medizinischen, als auch im sonstigen beruflichen Kontext, viele überregionale Arbeitnehmer, Besucher, Pendler, was die Kontrolle des Infektionsgeschehens durch eingetragene Infektionen erschwert. Die Krankenhäuser in Erfurt verzeichnen eine zunehmende Anzahl an COVID-19 Erkrankten. So-wohl im stationären Bereich, als auch im Bereich Pflege kommt es zunehmend zu personellen Eng-pässen, welcher derzeit hauptsächlich durch angeordnete Quarantänemaßnahmen hervorgerufen werden. Gleichzeitig gelangen sowohl die Testlabore, als auch der öffentliche Gesundheitsdienst immer stärker an Kapazitäts- und Leistungsgrenzen. Hier gilt es durch die eindämmenden Maß-nahmen eine Überlastung schnellstmöglich und effektiv zu beenden, bzw. zu verhindern.

Soweit die Allgemeinverfügung Regelungen aus der Thüringer Verordnung über außerordentliche Sondermaßnahmen zur Eindämmung einer sprunghaften Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer SARS-CoV-2 Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO – ) in der Fassung vom 31.10.2020 übernimmt (vgl. hierzu § 3, 7 und 6 der Ver-ordnung), wird sich auf die dortige Begründung bezogen.

Im Übrigen:

Begründung zu 1.)

Da die Einzelmaßnahmen Testung, häusliche Isolierung, Ermittlung von Kontaktpersonen und An-ordnung von Quarantäne- und Schließungsmaßnahmen in Verbindung mit den Maßnahmen nach der 2. ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO nicht länger ausreichen, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu halten, ist die Verstärkung des § 2 Kontaktbeschränkung der Thüringer Verordnung in eine verbindliche Anordnung das nächste adäquate und verhältnismäßige Mittel, um durch eine konsequente Reduzierung der Kontakte eine Verlangsamung des Infektionsgeschehens zu errei-chen.

Begründung zu 2.)

Die Erweiterung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung orientiert sich am Beschluss von Bund und Ländern vom 14.10.2020 für erweiterte Maßnahmen bei Überschreitung der Inzi-denzmarke von 50 auf 100.000 Einwohnern.

Dabei wird gezielt auf Bereiche ausgedehnt, in denen sowohl durch Bürgerinnen und Bürger der Landeshauptstadt Erfurt, als auch durch die Ordnungsbehörden wiederholt Menschenansammlun-gen und Publikumsaufkommen festgestellt wurden, die eine Einhaltung des Mindestabstandes nicht möglich machen. Dabei ist besonders auf hoch frequentierte Bereiche wie Haltestellen, Fuß-gängerzonen, Wochenmärkte und Straßenunterführungen eingegangen worden, um die Erfahrun-gen der Kontrollen und Wahrnehmungen aus dem Stadtbild der letzten Wochen mit Bezug auf die Einhaltbarkeit des Mindestabstandes einzubringen. Darüber hinaus wird sowohl dem überregiona-len Gesamtgepräge der Fußgänger, als auch der hohen Siedlungsdichte Erfurts mit dieser Maß-nahme Rechnung getragen.

Begründung zu 3.)

Bereits geringe Mengen Alkohol können dazu führen, dass die hemmenden und kontrollierenden Funktionen des Gehirns gemindert werden und die allgemeine Wahrnehmung sowie das Verhalten des Konsumenten leicht bis stark verändern. Weniger umsichtige oder unvorsichtige Gäste können die Folge sein. Das beeinträchtigte Verhalten der Gäste kann dazu führen, dass die Einhaltung der Infektionsschutzregeln erschwert und die Ausbreitung der Pandemie begünstigt wird. Durch die Ordnungsbehörden der Landeshauptstadt Erfurt wurde wiederholt festgestellt, dass durch Alko-holkonsum die Akzeptanz zur Umsetzung der infektionshygienischen Maßnahmen sinkt. Daher ist hier gegenzusteuern, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die Schließungsregelung geht dabei konform mit der ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO. Im Gegensatz zu ländlich geprägten Strukturen gibt es im Stadtgeschehen Erfurts eine Vielzahl von Verkaufsangeboten von Alkohol auch zu später Stunde. Das zeitlich limitierte Verkaufsverbot dient dazu, die Verlagerung des durch die Restaurant-, Club- und Diskothekenschließung unterbundenen Partyverhaltens auf andere Schauplätze zu verhindern. Außerdem werden somit Menschenansammlungen und Gruppenbil-dungen vor z. B. Spätverkäufen vermieden.

Begründung zu 4.)

(1) Die Maßnahme orientiert sich an der ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO. Die kritische Infektionslage weit über der kritischen Grenzmarke von 35, ja 50 Neuerkrankungen auf 100.000 Einwohner hinaus, lässt zum momentanen Zeitpunkt keine Ausnahmen zu. Die Ein-zelfallprüfung ist daher unter aktuellen Gesichtspunkten nicht zielführend und schwächt die bereits überlasteten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitsdienstes.

(2) Für Messen und Spezialmärkte gelten die vorzulegenden Infektionsschutzkonzepte auf Grundlage der gültigen Branchenregelungen. In Verstärkung dessen ist die durchgehende Maskenpflicht, welche beim Verzehr von Speisen und Getränken, sowie bei Verköstigun-gen nicht einhaltbar ist, das mildeste Mittel, um eine Weiterverbreitung des Virus über die derzeit geltenden Maßnahmen hinaus zu verhindern, ohne eine vollständige Schließung verfügen zu müssen.

Begründung zu 5.)

Öffentliche Veranstaltungen sind aufgrund der hohen Anzahl und Intensität von Kontaktmöglich-keiten und einer häufig engen Interaktion zwischen den Teilnehmenden besonders zur Verbrei-tung des Virus geeignet. Durch die Anonymität solcher Veranstaltungen, insbesondere unter frei-em Himmel, ist es im Nachgang nahezu ausgeschlossen, zeitnah alle Kontaktpersonen zu ermitteln, um mögliche Infektionsketten zu durchbrechen und Maßnahmen anzuordnen. Dabei gilt es, neben der Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen zu berücksichtigen, dass sich das Coronavirus auch verbrei-ten kann, obwohl die betroffenen Personen keine oder sehr leichte Krankheitssymptome zeigen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass erkrankte oder ansteckende Personen solche Veranstaltungen besuchen und es auf diese Weise zu einer Weiterverbreitung kommt.

Die Landeshauptstadt Erfurt trägt dabei die Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor allem vor dem Hintergrund, dass Groß- und Festveranstaltungen in Erfurt in der Regel ein überregionales, oft gar internationales Gesamtgepräge haben. Die aktuelle Risikobewertung des Robert-Koch-Institutes formuliert klar ein stark erhöhtes Übertragungsrisiko durch Aerosolaus-scheidungen bei lautem Sprechen, Singen oder Lachen, in Innenräumen steigt hierdurch das Risiko einer Übertragung deutlich und besteht auch, wenn ein Abstand von mehr als 1,5 m eingehalten wurde. Wenn der Mindestabstand von 1,5 m ohne Mund-Nasen-Bedeckung unterschritten wird, z. B. wenn Gruppen von Personen an einem Tisch sitzen oder bei größeren Menschenansammlungen, besteht auch im Freien ein erhöhtes Übertragungsrisiko. Daher sind zum derzeitigen Zeitpunkt Fest- und Feierveranstaltungen grundsätzlich zu untersagen.

Mildere, gleich wirksame Mittel zur Erreichung des Zwecks sind nicht ersichtlich.

Begründung zu 6.)

Bei Trauerfeiern und Eheschließungen kann aufgrund konkreter Erfahrungen in Erfurt nicht unein-geschränkt davon ausgegangen werden, dass die festgelegten Infektionsschutzregeln im Konzept jederzeit, auch in emotional aufgeladenen Situationen, durch die Besuchenden eingehal-ten/umgesetzt werden. Die Wahrnehmung der Doppelverantwortlichkeit von Bestattern und dem Garten- und Friedhofsamt in der Umsetzung der Regeln vor Ort war in der Vergangenheit nicht zu jeder Zeit gegeben; Verstöße gegen festgelegte Personenobergrenzen wurden festgestellt. Mit Blick auf das dynamische Infektionsgeschehen und die Vielzahl breit gestreuter Einzelerkrankungen ist daher im Bereich nicht öffentlicher Veranstaltungen, Trauerfeiern, Eheschließungen wie auf privaten und familiären Feiern im Moment die strikte Obergrenze von 10 Personen unverzichtbar. Der Besonderheit der Situation bei Eheschließung und Trauerfeiern wird insoweit Rechnung getra-gen, dass von der Zwei-Haushalts-Regelung abgewichen wird. Somit ist die Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Begründung zu 7.)

Bundesweit ist es in Zusammenhang mit Veranstaltungen, auf denen gesungen wurde, zu Aus-bruchsgeschehen gekommen. Die Risikobewertung des RKI beinhaltet einen verstärkten Aerosol-ausstoß beim Singen in Innenräumen auch über den Mindestabstand von 1,5 m hinaus. Daher ist die durchgängige Maskenpflicht als zusätzlicher Baustein gerechtfertigt, um die Freiheit der Religi-onsausübung unter infektionshygienischen Maßnahmen zu gewährleisten.

Begründung zu 8.)

Die Erfurter Krankenhäuser tragen aktuell im Pandemiegeschehen die Verantwortung für Patien-tinnen und Patienten aus ganz Thüringen. Dabei stehen die Kliniken trotz steigender stationärer Aufnahmen von COVID-19 Erkrankungen vor der Herausforderung den Regelbetrieb weitest mög-lich aufrecht zu erhalten und durch Quarantänemaßnahmen hervorvorgerufenen Personalmangel-zustände auszugleichen. Als LEVEL-1-Klinik trägt dabei das Helios Klinikum dabei die Verantwortung für einen großen Teil der schweren Verläufe von COVID-19.

Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit ist daher mit Blick auf den massiven Zuwachs auch symptomatischer COVID-19 Erkrankter oberste Priorität. Die in der ThürSARS-CoV-2-IfS-GrundVO verankerten Beschränkungen des Besucherrechtes sind vor der Vielzahl der Patientinnen und Pati-enten, der überregionalen Gesamtstruktur von Patientinnen und Patienten sowie Besuchenden und dem derzeit nicht kontrollierten Infektionsgeschehen nicht ausreichend. Daher verhängten die Krankenhäuser bereits nach Hausrecht ein Besuchsverbot, dass mit dieser Regelung verbindlich verfügt und an die Allgemeinheit gerichtet ist.

Abweichende Regelungen der Einrichtungsleitungen in begründeten Einzelfällen sind möglich, so dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.